Vier Bier mit Klaas Twietmeyer von Hops Hysteria

von in Craft Beer

Nachbarschaftspflege darf ruhig auch mal über das eigene Treppenhaus hinausgehen. Klaas Twietmeyer wohnt nur ein paar Gehminuten von uns entfernt und ist jemand, mit dem ich unbedingt mal ein Bierchen trinken wollte. Er ist der Kopf hinter dem sehr lesenswerten Bierblog „Hops Hysteria“, Craft Beer-Fan und begeisterter Heimbrauer. Drei gute Gründe, sich mal beim Wahl-Hamburger an den Küchentisch zu setzen und über die Craft-Beer-Szene, das Brauen und das Reinheitsgebot zu sprechen. Und darüber, wie er schon sehr bald die Bierszene Hamburgs bereichern will.

Zwei Mittdreißiger treffen sich auf ein paar Biere, essen guten Käse und Kaminwurz dazu. Vor einiger Zeit hätte es da noch ein Sechser von der Tanke und eine Pizza getan. Sind wir Craft-Beer-Trinker elitär?
Ich denke das hat viel mehr mit dem Zeitgeist zu tun. Bier hat sein prolliges Images abgeschüttelt, gutes Bier gehört heute einfach dazu. Und ich finde es großartig, dass es diese neue Aufmerksamkeit bekommt. Sicherlich ist der Craft Beer-Trend auch etwas der Vergangenheit geschuldet: Wir wurden mit Fast Food und Retortenscheiß groß – jetzt sehnen wir uns nach ehrlichen und ursprünglichen Produkten. Das kann man beim Essen ja auch schon etwas länger beobachten.

Erst kannte es nur ein kleiner Kreis, jetzt gibt es Craft Beer sogar im Supermarkt. Nervt Dich das?
Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickeln wird. Eigentlich bin ich jemand, der sagt: „Jetzt findet das jeder gut, jetzt muss ich mir etwas Neues suchen.“ Da geht mir dann auch hin und wieder das ganze Getue und Gelaber um Craft Beer auf den Sack. Zumal momentan vieles sehr kritisch gesehen wird. Auf der anderen Seite gibt es aber noch so viel zu entdecken.

Es ist also mehr als ein Trend?
Wir sind vielleicht gerade einmal bei einem Prozent von dem, was man in Sachen Bier noch erleben kann. Es geht immer weiter und genau das macht ja so viel Spaß. Ich glaube, wenn du mit Herzblut und Leidenschaft an das Thema rangehst und dich intensiv damit beschäftigst, dann wird das einfach ein Teil deines Lebens. Dann kannst du nicht mehr so schnell zurück. Und dann stören einen auch die, die gerade vielleicht nur für einen Moment auf den Hype-Zug aufspringen, nicht wirklich.

Du schreibst in Deinem Blog über Brauereien, deren Biere und die Herstellung. Aber nie über Geschmack.
Geschmack ist einfach subjektiv und sehr persönlich. Ich finde es schwierig, Biere mit den immer gleichen Begriffen zu beschreiben. Ein Bier ist ein Erlebnis und es spielen irre viele Dinge mit rein, die beeinflussen, wie dir ein Bier schmeckt. Bist du allein oder in Gesellschaft? Hast du einen guten Tag oder bist du schlecht drauf? Kein Bier hat nur den einen Geschmack und ich werde es nie so beschreiben können, wie andere es empfinden. Also klammere ich das ganz bewusst komplett aus. Ich möchte niemandem meine Meinung aufdrücken, sondern mit meinen Artikeln Lust auf die Biere und ihre Geschichte machen. Der Rest ist dann jedem selbst überlassen. Das ist ja auch gerade das Spannende.

Genießt ein Bier lieber, als es zu beschreiben: Klaas Twietmeyer

Genießt ein Bier lieber, als es zu beschreiben: Klaas Twietmeyer

Wo ich hier gerade die Ausgabe der Belgian Beer & Food auf dem Tisch liegen sehe: Wie wichtig ist Dir die Abstimmung vom Bier aufs Essen?
Ehrlich gesagt finde ich das Thema super interessant. Ich selbst kombiniere Essen und Bier bewusst aber nur selten, irgendwie genieße ich beides lieber für sich. Wenn ich es aber mal mache, dann muss ich es auch voll treffen.

Wie ist es beim Essengehen? In Restaurants findet man auf der Getränkekarte meist ein Pils, ein Hefe und ein Alkoholfreies. Die Weinkarten hingegen sind seitenlang. Würdest Du Dir da mehr Kreativität und Auswahl auch beim Bier wünschen?
Ja, ganz klar. Generell eine größere Auswahl oder zumindest mal ein paar unterschiedlichere oder überraschende Bierstile wären toll. Damit man als Gast selbst entscheiden kann, was man zum Essen trinken mag und sagen kann: „Oh ja, da habe ich jetzt Bock drauf!“ Wie bei Wein halt. Immerhin: Es geht ja langsam los. In Hamburg gibt es mittlerweile ein paar Läden, die schon eine größere Bierkarte haben. Bei Otto’s Burger gibt es mehrere Craft-Biere, die Auswahl in der Brooklyn Burger Bar ist ebenfalls ganz gut. Insgesamt ist aber noch viel Luft nach oben.

Welches Bier würdest Du jedem Gastronomen ans Herz legen?
Ich kann mich da schlecht auf eine einzelne Sorte oder Marke festlegen. Aber mal ein paar belgisches Biere auf der Karte zu sehen, das würde mich freuen. Und ganz klar mehr regionales Zeugs, wir haben tolle kleine Brauereien in Deutschland. Dazu ein paar gute Importe, zum Beispiel aus Skandinavien.

Du braust auch selbst. Lass uns eines Deiner Biere probieren: das Stream of Consciousness. Klingt schon mal gut. Was ist drin und viel wichtiger: Hast Du es auch brav nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut?
Das mache ich grundsätzlich nicht (lacht). Das Stream of Consciousness ist ein Saison, ein belgischer Bierstil. Ich habe am Ende des Hopfenkochens etwas Sanddornsaft mit eingebraut. Das passt zur Hefe-Art und bringt eine leichte Säure nach vorne. Heraus kommt eine schöne holzige und gleichzeitig fruchtige Note. Es ist recht dunkel und malzig, Roggen bringt noch eine tolle Kernigkeit mit rein.

Wie kommt man auf so eine Kombination?
Ideen laufen mir überall über den Weg. To Øl hat zum Beispiel schon mal mit Sanddorn gearbeitet, das hat mich inspiriert. Und meine Mutter, die meine Suche nach immer neuen Zutaten ab und an mal unterstützt, hat es mir dann auch vorgeschlagen. Ich musste es also einfach mal versuchen.

Wenn man das so hört, könnte man denken, dass Du mit schwerem Equipment in Deiner eigenen Brauerei braust…
Nein, soweit bin ich noch nicht. Bislang braue ich mein Bier noch zu Hause, ganz simpel mit einem Einkochtopf, mit Plastikpötten, einer Läuterhexe und einem Maischepaddel.

Klingt, als könnte das jeder.
Kompliziert ist es wirklich nicht und grundsätzlich traue ich es auch jedem zu. Man muss sich natürlich etwas damit beschäftigen, aber das ist ja mit jedem Hobby so. Sich mit der Theorie auseinandersetzen, sich etwas Equipment zulegen und vor allem: viel Geduld haben, bis man alles auf der Kette hat. Das Wichtigste ist, die Prozesse zu verinnerlichen und die Auswirkungen zu kennen, die bestimmte Schritte auf das Bier haben können. Lernen kann das jeder. Was den Besseren vom Schlechteren unterscheidet ist eine gewisse Feinsinnigkeit: Wer ein Gespür für Geschmäcker hat und offen ist, Dinge auszuprobieren, wird am Ende einfach bessere Ergebnisse erzielen. Und Geduld ist wie gesagt wahnsinnig wichtig. Vielleicht findet man schon sein erstes Bier großartig, es kann aber auch mehrere Anläufe brauchen. Ich war erst mit meinem vierten Bier so richtig zufrieden. Auch wenn man sein erstes Bier natürlich nie vergisst und immer irgendwie gut finden wird, weil es eben das erste Bier ist, das man gebraut hat. Aber natürlich ist und bleibt es Hobbybrauen. Man kann es nicht mit dem „professionellen“ Brauen auf einer richtigen Brauanlage vergleichen.

Zwei Stühle, eine Meinung: Diese Biere können was!

Zwei Stühle, eine Meinung: Diese Biere gehen gut.

Noch einmal zurück zum Reinheitsgebot. Die UNESCO hat kürzlich in der ersten Wahlrunde den Antrag auf die Anerkennung des Reinheitsgebots als Weltkulturerbe abgelehnt. Vor ein paar Jahren hätte man diese Nachricht noch mit einem großen Unverständnis aufgenommen.
Diese Entscheidung ist in meinen Augen auf jeden Fall ein Fortschritt. Allgemein für die deutsche Bierkultur und besonders für die kleine Szene, auch wenn das natürlich einige anders sehen. Im Übrigen bleibt das Reinheitsgebot ja aber auch nach dieser Entscheidung bestehen und es bedeutet nicht, dass es jetzt abgeschafft wird. Es wird eben nur erstmal kein Weltkulturerbe.

Ist das Reinheitsgebot überholt?
Ja, definitiv. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Und die aktuelle Diskussion darüber ist gut, weil das Thema so wieder etwas mehr in die Öffentlichkeit rückt und die Verbraucher und der Brauerbund nun vielleicht merken, dass das Reinheitsgebot eben doch nicht das Wahre ist, dass es nicht mehr so traditionell und schützenswert ist, wie es vielleicht einmal war.

Warum nicht?
Das Reinheitsgebot wird an ein Gesetz gebunden und ist kein Label, das für eine gewisse Qualität steht. Es ist vieles verboten, was in anderen Ländern gang und gäbe ist und kreative Biere zum Teil erst möglich macht. Deutsche Brauereien aber müssen Biere vom Markt nehmen, weil beim Brauprozess Kräuter verwendet wurden. Und das darf man laut Reinheitsgebot nun einmal nicht. Der Verbraucher denkt aber, dass das Reinheitsgebot für Qualität steht. Damit sind wir ja alle auch groß geworden. Für uns gab es nichts besseres als deutsches Bier, alles andere war Plörre. Dabei ist das Bier nicht automatisch rein, nur weil es danach gebraut wurde. Das sickert aber erst jetzt so langsam durch.

Was meinst Du damit?
Viele industrielle Konzern-Brauereien, die heute nach dem Reinheitsgebot arbeiten, verwenden trotzdem Zusatzstoffe bei der Herstellung. Sie filtern sie nur einfach später wieder heraus. Neben vielen anderen Stoffen ist das zum Beispiel Polyvinylpolypyrrolidon (pvpp), das das Bier klarer macht. Dann kann man das Reinheitsgebot auch gleich ganz kippen. Langsam kommen die Medien aber dahinter. Neben einigen Zeitungsberichten hat auch das ZDF vor wenigen Wochen darüber berichtet. Ich kann mir vorstellen, dass sie es noch bis 2016 bis zur 500-Jahresfeier durchziehen. Danach geht es hoffentlich bergab damit.

Darauf erstmal ein englisches Bier, ein IPA von The Kernel. Das schmeckt nach … ich komm nicht drauf.
Irgendwas fruchtiges … hm … ah, das ist Traube!

Jemand kommt nach Hamburg und fragt Dich, wo er abends ein gutes Bier trinken kann. Was empfiehlst du ihm?
Das ist nicht so einfach. Ich bekomme häufig solche Anfragen über meinen Blog. Leute aus Schottland, den USA oder aber auch aus Hamburg, die genau das fragen. Meine Antwort lautet meistens, dass wir hier noch nicht so weit sind und sie nicht zu hohe Erwartungen haben sollten. Meine Standardtipps sind das „Altes Mädchen“, „Galopper des Jahres“ im „Haus 73“ oder jetzt ganz frisch die „Schankwirtschaft“, die haben eine ganz nette Auswahl. Vor allem vom Fass. Dann gibt es noch kleine Bars wie die „Idol Bar“ oder „Couch Captain“. Ansonsten wird es eng, aber das wird sich ja bald ändern… (grinst)

Du spielt auf Dein neues Projekt an: „Beyond Beer“. Was ist das und worauf dürfen sich Bierfans in Hamburg demnächst freuen?
Gemeinsam mit ein paar Freunden, unter anderem mit Max und Ronald vom Brausturm Verlag, werden wir einen Laden in Hamburg eröffnen, wo es vorrangig darum geht, Bierspezialitäten zum Verkauf anzubieten. Zusätzlich wird es noch einen kleinen Barbereich mit Zapfhähnen geben, wo Biere ausgeschenkt werden, die sich zwischen regional, traditionell und abgefahren bewegen. Der Fokus wird generell auf kleinen Brauereien und besonderen Bieren liegen. Vielfalt ist uns sehr wichtig. Es wird nicht bis in die Puppen gehen, aber die Besucher sollen die Chance haben, ein gutes Feierabendbier bei uns genießen zu können.

Klingt gut. Wann geht’s los?
Voraussichtlich im April, wann genau werden wir auf unserer Facebook-Seite bekannt geben.

Nun zum Bier, auf das wir uns beide schon den ganzen Abend freuen: Horizon Tokyo Black, eine Kollaboration von Nøgne Ø, Mikkeller und BrewDog.
Ui, das ist komplex. Meine Herren. 32° Plato bei 16 % Alkohol. Da ist geschmacklich wahrscheinlich so viel drin, dass man gar nicht mehr die feinen Nuancen rausschmecken kann. Ich persönlich stehe ja total auf diese barrel aged Biere, die im Fass gelagert werden. Die holzigen Noten und die Aromen der Spirituose, die vorher im Fass waren, das ist schon geil.

Bei über einhundert verschiedenen Bieren in Deinem Kühlschrank vielleicht eine schwierige Frage, aber was sind zur Zeit Deine Lieblingsbiere?
Das kann ich wirklich nicht sagen, da ich ständig Neues probiere. Hier im Kühlschrank habe ich kaum ein Bier zweimal. Natürlich gibt es so Evergreens, die man auch relativ leicht bekommt: Den Prototyp von der Kreativbrauerei Kehrwieder mag ich wahnsinnig gerne. Oder Hops & Needles von Brewcifer. Außerdem trinke ich momentan gerne Rauchbiere. Und es gibt noch eine klaren Favoriten, an den kommt man aber leider schlecht ran: Nebuchadnezzar von Omnipollo, eine schwedische Brauerei.

Was ist für Dich das Besondere am Nebuchadnezzar?
Das Nebuchadnezzar ist einfach nur göttlich. Es schmeckt super. Zudem gefällt mir der Name dahinter und auch die Optik – da achte ich als Gestalter auch ein bisschen mit drauf. Bis vor kurzem habe ich es nur aus der Flasche getrunken und war schon mega begeistert. Dann war ich in Berlin im „Hopfenreich“, wo sie es irgendwann mal vom Fass ausgeschenkt haben. Diese Hopfenaura, die dich bei diesem Bier umgibt, vergisst Du nie.

Wo ist die Bierszene gerade besonders spannend?
In den osteuropäischen Ländern wie Polen, Serbien und Estland passiert zur Zeit irre viel. Spanien und Frankreich ziehen auch gerade nach. Eigentlich passiert überall etwas – nur Deutschland hinkt der Zeit noch etwas hinterher.

Was würdest Du Dir für die deutsche Bierszene wünschen?
Dass das Bierthema noch präsenter wird, ohne dass es auf Krampf ausgeschlachtet wird. Dass noch mehr kleinere Brauereien entstehen, die kreativ sind und alte deutsche Bierstile neu interpretieren. Und damit die Szene mit Frische und Schwung beleben. Wo ich so drüber nachdenke: Vielleicht kann ich ja auch mal meinen Teil dazu beitragen. Wäre schon ganz geil.

Es muss nicht immer Wein sein.

Bier und Käse, ein Abendbrot nach unserem Geschmack.